Zum Internationalen Frauentag am 8. März: Sally Lisa Starken
1. Statt Blumen fordern wir faire und anerkennende Gehälter.
Pflege, Erziehung, Einzelhandel: Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung sind 60% der Beschäftigten in den als "systemrelevanten" bezeichneten Berufen Frauen. Nicht erst seit Corona ist Fürsorgearbeit unverzichtbar. Es wird Zeit für eine Entlohnung, die der Systemrelevanz gerecht wird. Dafür verlangen wir bessere und sichere Arbeitsbedingungen, flächendeckende Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, damit Tarifverträge in jedem Unternehmen verbindlich werden und eine Anhebung des Einkommens.
2. Statt Blumen fordern wir eine gerechte Aufteilung von Erwerbs- und (unbezahlter) Sorgearbeit.
Solange Kitas und Schulen nicht im Regelbetrieb arbeiten, verschärft sich die Belastung in Familien jeder Konstellationen und insbesondere bei Alleinerziehenden. Die zusätzlich anfallende Sorgearbeit wird wie selbstverständlich auf die Schultern von Frauen verlagert. Das bedeutet für sie nicht nur ein akutes finanzielles Risiko, sondern kann auch berufliche Chancen beeinträchtigen. Deshalb fordern wir die Umsetzung von Entgeltgleichheit, um die Lohnlücke zu schließen, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Schulkindern, einen Rechtsanspruch auf Teilzeit - unabhängig von der Unternehmensgröße und eine partnerschaftliche Ausgestaltung des Elterngeldes sowie entsprechende Regelungen für pflegende Angehörige.
3. Statt Blumen fordern wir gleichberechtigte Mitbestimmung.
Als die Leopoldina-Akademie erste Vorschläge für Lockerungsmaßnahmen in einer Studie veröffentlichte und vor allen Dingen für die mangelhafte Berücksichtigung der Bedürfnisse von Familien mit jüngeren Kindern in Kritik geriet, fiel der Blick auch auf die Expert*innengruppe: Von 26 Expertinnen, waren 24 männlich. Wir sagen: Representation matters! Wenn Entscheidungen in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft getroffen werden, dürfen Frauen nicht nur mitgemeint sein, sondern müssen auch an den Verhandlungstischen sitzen! Wir fordern Paritätsgesetze auf Bundes- und Länderebene, bessere gesetzliche Regelungen für mehr Frauen in Führungspositionen in Wissenschaft und Wirtschaft und eine Strategie, die Gleichstellung zum Querschnittsthema in allen Ressorts und bei allen Entscheidungsfindungen macht, um Frauen und marginalisierte Gruppen nicht weiter durch politische Entscheidungen zu benachteiligen.
4. Statt Blumen fordern wir eine Koppelung aller Hilfsmaßnahmen mit gleichstellungspolitischen Maßnahmen.
Zur Überwindung der Pandemiefolgen werden finanzielle Mittel in nie dagewesenen Ausmaß mobilisiert. Damit nicht nur Frauen unter den finanziellen Folgen der Pandemie langfristig leiden, müssen die nun geschnürten Konjunkturprogramme nach einem klaren Grundsatz wirken: Dort wo der Staat fördert, wird Gleichstellung gefördert. Wir wollen, dass diese insbesondere im privaten Sektor an eine Gleichstellungsdividende gekoppelt werden: Ein individueller Auskunftsanspruch, bei dem Unternehmen offenlegen, inwiefern Frauen gerecht bezahlt, befördert und gefördert werden.
5. Statt Blumen fordern wir ein Recht auf Gewaltschutz.
Viele Frauen* und ihre Kinder sind, insbesondere verstärkt durch Social Distancing, Gewalt ausgesetzt. Deshalb fordern wir jetzt ein Recht auf Schutz und schnelle Hilfe. Die Finanzierung von Frauenhäusern ist unzureichend. Deshalb fordern wir eine bundesweite und flächendeckende Finanzierung dieser Einrichtungen. Doch gerade jetzt, wo die Not groß ist, wird der Zugang zu Hilfesystemen oft durch verschiedene Diskriminierungsformen erschwert. Gerade geflüchtete Frauen und obdachlose Frauen, die im besonderen Maße auf Schutzräume angewiesen sind und Minderheiten, die von struktureller Gewalt betroffen sind, müssen in den Blick genommen werden.
6. Statt Blumen fordern wir sexuelle Selbstbestimmung.
Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht. Wenn jedoch ein Schwangerschaftsabbruch eine Beratung voraussetzt und Beratungsstellen in einer Krise nicht ausreichend handeln können, zeigt sich, dass die derzeitigen Regelungen zu §§ 218 und 219a die Rechte von Frauen gefährden. Wir fordern eine Streichung des § 219a StGB aus dem Strafgesetzbuch.
Unsere Forderungen betreffen alle Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität Benachteiligungen erfahren. Gewalt, Armut, Gefährdungen am Arbeitsplatz und massive Mehrbelastung durch zusätzliche Care-Arbeit in der Corona-Krise betreffen neben Frauen, nicht-binär geschlechtliche Personen und auch trans Männer gleichermaßen und sie werden zu oft unsichtbar gemacht und als Frauen vereinnahmt. Auch das wollen wir nicht länger hinnehmen.
Die Corona-Krise trifft uns alle, aber sie trifft uns nicht alle gleichermaßen. Der Blick unserer Forderungen ist explizit auf das Zusammenwirken sowie die Verschränkung verschiedener Diskriminierungskategorien (Intersektionalität) gerichtet, denn gerade Frauen marginalisierter Gruppen, z.B. Frauen of Color, Schwarze Frauen und Frauen mit Behinderung, sind von Ungleichbehandlung betroffen. Sie arbeiten häufiger in prekären Beschäftigungsverhältnissen, Fürsorgeberufen und erleben zusätzliche Hürden beim Zugang zu bspw. Frauenhäusern oder medizinischer Betreuung. Das muss bei politischen Entscheidungen grundsätzlich berücksichtigt werden.
Frauen of Color, Schwarze Frauen, Frauen mit Behinderungen, Frauen mit Fluchterfahrung, Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen, Frauen ohne Krankenversicherung oder ältere Frauen benötigen in dieser Krise gezielte Aufmerksamkeit, damit ihre Belange in den Mittelpunkt gerückt werden.
Deshalb ersuchen wir die Bundeskanzlerin und die Bundesminister*innen, unsere Forderungen jetzt umzusetzen.
Zur Aktion #StattBlumen: https://gleichberechtigung-statt-blumen.de