Ortsvereine
Jenseits der Rhetorik: Die wahren Wunden im deutschen Stadtbild

Peter Bernard, Vorsitzender des SPD Ortsverein Bad Oeynhausen+Lohe, zur Stadtbild-Äußerung von Friedrich Merz:
Die jüngste Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz zum „Stadtbild“ hat eine hitzige politische Debatte ausgelöst, die sich vorrangig auf den Bereich der Migration und öffentlichen Sicherheit fokussiert. Abseits dieser emotional geführten Diskussion offenbart die Debatte jedoch ein viel breiteres, tiefgreifendes Problem in den deutschen Kommunen, das seit Jahren von der Politik vernachlässigt wird: der materielle Verfall und die sinkende Aufenthaltsqualität der Innenstädte.
Das deutsche Stadtbild leidet vielerorts unter einer Misere, deren Ursachen nicht nur in sozialen, sondern vor allem in strukturellen und kommunalpolitischen Versäumnissen liegen.
Verödete Zentren: Leerstände und „Schrottimmobilien“
Der Zustand des Stadtbildes wird nicht nur durch subjektive Empfindungen bestimmt, sondern durch eindeutige physische Mängel. Das augenfälligste Problem in vielen Mittel- und Großstädten ist die zunehmende Verödung der Geschäftszentren:
Massive Leerstände: Die Konkurrenz durch den Online-Handel und die hohen Mieten treiben Einzelhändler aus den Innenstädten. Zurück bleiben leere Schaufenster, die Tristesse und wirtschaftlichen Niedergang signalisieren.
Schrottimmobilien: Verfall als Symptom kommunaler Not. Ungepflegte oder verfallende Gebäude im Herzen der Städte, sogenannte Schrottimmobilien, prägen an vielen Orten das Bild. Diese oft spekulativ gehaltenen Objekte verhindern eine notwendige städtebauliche Entwicklung und senken das ästhetische Niveau ganzer Straßenzüge.
Sie stellen nicht nur ein Versagen der Stadtplanung dar, sondern sind vor allem ein drastisches Symptom dafür, dass den Kommunen oft die notwendigen finanziellen Mittel fehlen, um konsequent durchzugreifen. Zwar könnten Städte rechtlich Instrumente wie Ordnungsverfügungen, Ersatzvornahmen (Sanierung auf Kosten der Eigentümer) oder im äußersten Fall die Enteignung nutzen.
Diese Maßnahmen sind jedoch extrem kosten- und ressourcenintensiv. Kommunen mit chronisch klammen Kassen können sich langwierige und teure Rechtsstreitigkeiten mit oft professionellen Spekulanten kaum leisten. Zudem fehlen die Mittel für die notwendige Personalausstattung in den Bau- und Ordnungsämtern, um den Verfall zu überwachen und die Verfahren einzuleiten. Der Leerstand wird damit zur stillen Folge einer chronischen Unterfinanzierung der kommunalen Verwaltung und des Städtebaus.
Vernachlässigte Infrastruktur: Verkehrsknotenpunkte als Angsträume
Der Eindruck der Verwahrlosung wird besonders an zentralen Verkehrsknotenpunkten deutlich – Orten, die eigentlich die Visitenkarte einer Stadt sein sollten:
· Unansehnliche Bus- und Bahnhöfe: Sie sind oft die ersten und letzten Orte, die Besucher einer Stadt sehen. Veraltete, schlecht beleuchtete und architektonisch unattraktive Anlagen vermitteln schnell ein Gefühl von Unsicherheit und Missmanagement.
· Verschmutzte und dunkle Parkhäuser: Parkhäuser und Tiefgaragen sind wichtige Infrastruktur. Ihre häufige Vernachlässigung – gekennzeichnet durch mangelnde Beleuchtung, Vandalismus und sichtbare Verschmutzung – trägt maßgeblich zu einem subjektiven Unsicherheitsgefühl bei, das nichts mit der Herkunft von Personen zu tun hat, sondern mit fehlender Pflege und Präsenz.
Fehlende Investition und Ästhetik
Der schlechte Zustand vieler öffentlicher Räume ist ein Indikator für unzureichende Investitionen in die städtische Ästhetik und Infrastruktur. Es fehlt an Mitteln für:
· Regelmäßige Reinigung und Instandhaltung von Plätzen und Parks.
· Moderne Stadtmöbel und ansprechende Beleuchtungskonzepte.
· Sozialarbeit vor Ort, um Problemlagen (wie z.B. Vermüllung durch Obdachlosigkeit oder Drogenkonsum) präventiv zu begegnen.
Wenn die Politik über das „Stadtbild“ spricht, sollte sie diese greifbaren und objektiven Missstände adressieren, die das tägliche Wohlbefinden aller Bürger beeinträchtigen – unabhängig von ihrer Herkunft. Eine Stadt, die ihre zentralen Plätze und Gebäude verkommen lässt, sendet ein klares Signal der Resignation aus. Die Behebung dieser strukturellen Mängel wäre ein konkreter, parteiübergreifender Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität.
Der Missstand der blockierten Investitionen
Die Klagen der Kommunen über fehlende Mittel sind berechtigt und werden durch die Politik der CDU-geführten Landesregierung in Nordrhein-Westfalen noch verschärft: Es ist ein eklatanter Missstand, dass das Land plant, nur 47% der Mittel aus dem vom Bund zur Verfügung gestellten Investitionsprogramm an die Kommunen weiterzureichen.
Gelder, die dezidiert für die Sanierung von Infrastruktur, die Bekämpfung von Leerständen und die Verbesserung der städtischen Lebensqualität gedacht sind, werden somit in Düsseldorf blockiert und den Städten vorenthalten. Wer ein besseres „Stadtbild“ fordert, muss auch die bereitstehenden Gelder dorthin leiten, wo sie dringend benötigt werden: in die Kommunen und in die städtische Substanz.
Artikelbild: Mit ChatGPT erstellt
