Zum Thema Stromimporte aus dem europäischen Ausland erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Ulrich Kelber:
Meldungen über höheren Import von Atomstrom bei abgeschalteten Atomkraftwerken sollen die Menschen nur verunsichern. Es gibt aktuell keinen Engpass bei der Erzeugung. Hier zeigt sich nur, dass die Atomwirtschaft mit allen Mitteln gegen ihre eigene Abschaltung kämpft. Für derlei Angstmacherei gibt es keinerlei Anlass.
Denn Deutschland hat trotz der abgeschalteten Atomkraftwerke keinen akuten Mehrbedarf an Stromimporten. Es steht vielmehr genügend Erzeugungsungskapazität zur Verfügung. Nach Angaben des Umweltbundesamtes sind nach Abzug der acht stillgelegten AKW noch mindestens 85 Gigawatt an installierter und gesicherter Leistung in größeren Kraftwerken verfügbar. Das Öko-Institut kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Dabei sind notwendige Reserven, erfahrungsgemäß ausfallende Kapazitäten und auch Stillstände wegen Revisionen bereits berücksichtigt.
Der heimische Strombedarf hat dagegen in den vergangenen Wochen nur etwa 52 Gigawatt an Leistung abgefragt. Das allein zeigt bereits: Der Zuwachs bei den Importen liegt nicht in fehlender Erzeugungskapazität. Der eigentliche Grund sind die Strompreise: Versorger und Stromhändler decken sich zu günstigen Preisen am europäischen Markt ein. Wenn Strom aus dem Ausland billiger ist und entsprechende Netzkapazitäten verfügbar sind, kommt ein Teil des Stroms von dort. Ist der Strompreis im Ausland höher, geht Strom aus Deutschland dorthin. Daran ist gar nichts Ungewöhnliches.
Nach der kurzfristigen Stilllegung der acht Alt-AKW haben sich Stromhändler und -lieferanten sich kurzfristig - und diesmal mehr als sonst - mit billigem Importstrom eingedeckt. Da war auch Atomstrom dabei. Im EU-weiten Markt wird aber ständig Strom hin und her bewegt - das gilt auch für die Erzeugung von Atomstrom diesseits und jenseits der Landesgrenzen. Im Frühjahr ist Atomstrom aus Frankreich billig. Im Winter dagegen ist Frankreich auf Stromimporte für seine Elektroheizungen angewiesen. Und auch im Sommer muss Frankreich importieren: Dann müssen die Kapazitäten der Atomkraftwerke herunter gefahren werden, weil das warme Flusswasser nicht mehr zum Kühlen reicht.
Kein Grund zur Panik also. Die Meldungen über solche Stromimporte sollen nur verunsichern. Entscheidend ist nämlich, ob die heimischen Kraftwerke bei der stärksten denkbaren Nachfrage genügend Strom produzieren können. Und das ist gewährleistet: Die höchsten Lasten im Stromnetz fallen im Winter an. Der höchste Wert lag im Jahr 2002 bei rund 80 Gigawatt und ist seitdem auf 73 Gigawatt im Jahr 2009 gesunken. gegenüber rund 85 Gigawatt gesicherter Leistung ohne die acht Alt-AKW bleibt genügend Spielraum. Und bei alledem sind kleinere Kraftwerke noch nicht einmal berücksichtigt.
Das jüngste Aufgebot der Atomwirtschaft erweist sich - wieder einmal - nur als unverantwortliche Verunsicherung der Menschen.