Parlamentsmehrheit zeigt Verständnis für
Ärzte-Protest - Debatte über Honorarreform und NRW-Benachteiligung
Anlässlich der heftigen Proteste niedergelassener Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein-Westfalen gegen die Honorarreform, die mit dem 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, debattierte das Düsseldorfer Landesparlament über Kriterien für eine faire Bezahlung der ärztlichen Leistungen. Beantragt hatten diese Aktuelle Stunde die Fraktionen von CDU und FDP.
Die Ärztinnen und Ärzte, die sich aufopferungsvoll, zuverlässig und gesetzestreu für die Kranken einsetzten, hätten diese Reform nicht verdient, meinte Rudolf Henke (CDU). Die Umsetzung der Reform bringe eine "unerträgliche Benachteiligung" für Nordrhein-Westfalen mit sich. Von zusätzlichen 3,5 Milliarden Euro im System werde NRW mit nur 200 Millionen Euro "abgespeist". Nur mit einer leistungsgerechten Bezahlung der Ärztinnen und Ärzte könne man eine Patientenversorgung auf hohem Niveau erhalten. Pauschalen von 32 oder 36 Euro, die pro Patientin oder Patient und Quartal zur Verfügung stünden, seien eine "dauerhafte Demotivation". Henke sprach das Missverhältnis von "Nicht-Wissen um das Honorar, aber festes Wissen um die Kosten" der eigenen Praxis an. "Viele Ärzte werden zu Verlierern", war das Fazit des CDU-Sprechers.
"Wechselseitige Schuldzuweisungen" diagnostizierte Dr. Stefan Romberg (FDP) innerhalb des Streits, dessentwegen inzwischen sogar Patientinnen und Patienten immer häufiger vor verschlossenen Praxistüren stünden. Die Budgetierung, die eigentlich hätte abgeschafft werden sollen, habe nun den neuen Namen "Regelleistungsvolumina" erhalten. Diese beruhten auf Durchschnittsberechnungen, aber Durchschnittspraxen gebe es nicht. Die unterschiedlichen Anforderungen in der Realität bedeuteten einen unterschiedlichen Finanzierungsbedarf, was bei der Vergütung zum Ausdruck kommen müsse. Dies sei aber nicht der Fall. "Wir wollen ein transparentes, einfaches und leistungsgerechtes Vergütungssystem", forderte der FDP-Abgeordnete. Mit dieser Reform sei der Arztberuf nicht attraktiver geworden, was auch das Nachwuchsproblem verschärfe.
Mit der Reform, sagte Inge Howe (SPD), werde bei erhöhtem Behandlungsaufwand auch mehr Geld bezahlt. Die bundesweite Angleichung der bisher höchst unterschiedlichen Honorare bewirke Nachteile auch für NRW. Während hier die Pauschale bei nur 32 bis 35 Euro pro Quartal liege, klage Bayern mit einer Pauschale von 85 Euro auf höchstem Niveau. Mit der Einführung fester Preise, der Abschaffung der Budgetierung, einem deutlich höheren Honorarvolumen und einem Ost-West-Angleich erfülle die Reform alte Forderungen der Ärzteschaft. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung habe zudem versichert, dass man die Probleme der Selbstverwaltung mit den Krankenkassen selbst lösen könne, also ohne Beteiligung der Politik. Ärztinnen und Ärzte dürften jedenfalls ihre Patientinnen und Patienten nicht in Geiselhaft nehmen.
Gesundheitspolitisch sei man nicht weitergekommen, bilanzierte Barbara Steffens (Grüne). Auch sie kritisierte, dass es eine "faire" Vergütung für die Ärztinnen und Ärzte in NRW nicht gebe. Mit 19 Euro, der Summe, die etwa ein NRW-Augenarzt pro Patientin oder Patient und Quartal bekomme, könne man niemanden über drei Monate verantwortungsvoll behandeln. "Dafür würden Sie bei einem Handwerksunternehmen keinen Termin bekommen", so Steffens. Die ungleiche Verteilung sei nicht gerecht und nicht nachvollziehbar, schließlich zahlten ja alle über die Beiträge gleich ein. "Ärzte, die keine Zusatzleistungen abrechnen können, sind jetzt die großen Verlierer", meinte Steffens und sprach sich für ein fraktionsübergreifendes, geschlossenes Signal des Parlaments in Richtung Berlin aus: Dieses Vorgehen werde nicht akzeptiert.
Jährlich 210.000 Euro, rechnete Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) vor, stünden einem Arzt oder einer Ärztin in NRW zu. Wie solle ein Arzt, der kaum Privatpatienten habe, davon eine moderne Praxis finanzieren und darüber hinaus ein für ein solches Studium angemessenes Gehalt übrig behalten?, fragte er. Nachwuchskräfte wanderten häufig nach Süddeutschland ab. NRW habe das unterfinanzierteste System in ganz Deutschland, weswegen auch die Krankenhäuser Probleme hätten, genügend Ärztinnen und Ärzte zu bekommen. Bei der Verteilung des zusätzlichen Geldes im System habe man Unterschiede vergrößert statt verkleinert. Laumann sprach in diesem Zusammenhang von einem "klaren Versagen der Selbstverwaltung". "Wenn wir wollen, dass Ärzte unabhängige Freiberufler bleiben, dann muss man sie auch wie Freiberufler bezahlen."
Quelle: Landtag intern